Leseprobe

Was genau ist ein Krafttier?

Ein Krafttier ist ein Geist in Tiergestalt. Diese Gestalt kann uns auch Rückschlüsse für unser Leben geben. Einmal hatte ich einen großen, kräftigen Seminarteilnehmer, der sich sicher war, dass er einen Bären oder Stier als Krafttier bekommen würde. Es war eine Übung, in der ein Partner das derzeit wichtige Krafttier für uns holt. Dieser große Kerl bekam einen Kanarienvogel. Nun gibt es ja einmal das persönliche Krafttier und auch Krafttiere, die uns „nur“ bei bestimmten Aufgaben helfen. In seinem Fall handelte es sich sogar um ein persönliches Krafttier. Als ich ihn später auf einem der Fortgeschrittenenseminare wiedertraf, fragte er mich, ob ich mich noch an ihn und die Geschichte mit seinem Krafttier erinnern würde. Ich erinnerte mich gut und er teilte dann seine Erkenntnis mit mir: „Weißt du, die Kraft den Bären hatte ich bereits. Die Sanftheit des Kanarienvogels, die fehlte mir noch.“ Hieran können wir wunderbar sehen, dass ein persönliches Krafttier oftmals Eigenschaften besitzt, die es für uns auszubilden gilt oder uns auf etwas hinweist, wo wir genauer hinschauen sollten, damit wir uns weiterentwickeln und entfalten. Außerdem können wir daran sehen, dass die Gestalt eines solchen Tieres eine wichtige Bedeutung für uns haben kann. Diesbezüglich ist auch erwähnenswert, dass es genauso wie wir es aus Märchen kennen, auch Mischwesen gibt. Greife, die halb Löwe und halb Adler sind. Zentauren, die halb Mensch und halb Pferd oder Minotauren die halb Mensch und halb Stier sind. Basilisken, die meistens halb Hahn und halb Schlange sind. Es gibt also in der Nicht-Alltäglichen Wirklichkeit jede erdenkliche Art von Krafttier, die man treffen kann. Dies sollte man so interpretieren, dass es sich bei dem Wesen um die Verbindung zweier Kräfte handelt, die uns in ebendieser Verbindung zu Hilfe kommt. Die Tiere, die für eine bestimmte Aufgabe zu uns kommen, haben nicht unbedingt persönliche Botschaften für uns, sondern dienen uns mit ihrer Kraft für bestimmte Aufgaben, meistens innerhalb der schamanischen Arbeit.

Ist das persönliche Krafttier mit dem sogenannten Lebenskrafttier gleichzusetzen?

Nein. Das Lebenskrafttier kann es zwar auch geben, aber nicht pauschal. Generell muss man immer damit rechnen, dass die Krafttiere wechseln. Wenn wir sehr großes Glück haben, verabschiedet sich ein Krafttier von uns und besorgt uns sogar noch einen Nachfolger. Wenn wir Glück haben, verabschiedet es sich von uns, jedoch ohne einen Nachfolger zu bringen. Wenn wir Pech haben, geht es ohne Verabschiedung. Wir müssen dann erkennen, dass es fortgegangen ist und uns auch selbst einen Nachfolger suchen. Es kann auch sein, dass ein Krafttier ein Leben lang bei uns bleibt, was übrigens nicht gleichbedeutend damit ist, sich nicht zu entfalten, weiterzuentwickeln oder nichts Neues zu lernen. Ein Krafttier vermittelt so viele Aspekte – da gibt es immer wieder etwas, dass der Vertiefung bedarf.

Du sprichst von Krafttieren und Lehrern, wenn du von Verbündeten erzählst. Worin siehst du den Unterschied und was ist das besondere an den Botschaften aus der Nicht-Alltäglichen Wirklichkeit?

Alles ist Geist, für mich zumindest. Pauschal sind die Krafttiere mein Schutz, meine Führer und Helfer, während die Lehrer mich lehren und in der Arbeit mit Klienten Ratschläge und Botschaften geben. Ich suche die Tiere auf, wenn es darum geht, etwas zu machen, in der NAW zu handeln. Es sind die Tiere, die mich z.B. zu den Seelen führen. Wenn es dann darum geht, noch etwas zu übermitteln oder zu sagen, dann treffe ich meistens meine Lehrerin. Es ist bei mir also schon so, dass die Lehrer der anderen Welt auch die Lehrertätigkeiten übernehmen. Viele Menschen erleben das anders und sagen, dass die Krafttiere ihnen die Botschaften oder Antworten geben. Das besondere an diesen Botschaften – ganz gleich, ob sie von Lehrern oder Krafttieren stammen -  ist die Weitsicht, die Persönlichkeit und natürlich ihre Wertigkeit.

Was kann uns dabei helfen, diese Botschaften zu verinnerlichen?

Wir sollten uns klarmachen, dass alle Botschaften der Tiere (oder Geister überhaupt) als Vorschläge zu sehen sind. Wir selbst sind das Zentrum unseres Lebens, jeder für sich selbst, und ein jeder hat sich dieses Leben ausgesucht, um gewisse Erfahrungen zu machen. Ich reise zum Beispiel nicht für mich selbst, sondern lebe mein Leben und lerne aus dem, was geschieht. Alle Informationen, die ich dazu benötige, bekomme ich von den Geistern sowieso, vielleicht während einer anderen Reise. Es gibt keine Gebote, was zu tun ist. Du kommst aus der Welt der Geister und hast dich mit einem Körper verbunden und möchtest unter anderem Berührung erfahren. Es sind immer auch Geister an deiner Seite, die dir dabei helfen. Diese können aber auch Vorschläge machen, die gar nicht umsetzbar sind, wie zum Beispiel mitten in einem Neubauhaus eine Feuerstelle zu graben. Die Geister sind vielleicht verwirrt darüber, dass es überhaupt Häuser ohne Feuerstelle gibt, sie können sich das gar nicht erklären. Wir können an dieser Stelle dann Erklärungen geben oder es versuchen und um eine Alternative bitten. Manchmal haben die Geister auch ganz andere Gründe, uns Aufträge zu erteilen. Nehmen wir einmal an, sie geben einem Menschen den Auftrag zwölf Monate lang bei jedem Vollmond ein spezielles Ritual in der Natur abzuhalten. Dieser Mensch nimmt sich alle Vollmonde frei, hält sich daran wie an ein Gebot und führt es immer aus. Nach den zwölf Vollmonden reist er zu seinen Geistern und berichtet von den ausgeführten Zeremonien. Und die Geister fragen: „Welche Vollmonde? Welche Zeremonien?“ Da steht man dann, hat alles gemacht, sie erinnern sich nicht daran und man versteht gar nichts mehr. Den Geistern ging es jedoch nicht darum, dass dieser Mensch zwölf Zeremonien abhält, sondern ganz grundlegend an seiner Disziplin arbeitet oder achtsam draußen in der Natur ist und trommelt. Er sollte also eine bestimmte Erfahrung machen, eine bestimmte Empfindung haben und etwas Bestimmtes hören, riechen oder sehen, das wiederum etwas freischaufeln oder eine bestimmte Erkenntnis in ihm reifen lassen sollte. Es gibt so viele Facetten, die nötig sind, um etwas zu verinnerlichen. Wir können zum Beispiel einem anderen Menschen Meditation empfehlen, um den Geist zur Ruhe kommen zu lassen und dieser Mensch möchte das nicht machen, weil er es nicht mag. Ein halbes Jahr später trifft man denjenigen vielleicht und er meditiert nur noch. Man fragt sich wieso. Dieser Mensch berichtet uns dann vielleicht von einem tollen Yoga-Kurs und wie gelenkig er nun ist, ist begeistert und möchte es ganzheitlich und somit auch mit der entsprechenden meditativen Versenkung praktizieren. Es braucht also Begeisterung, um etwas zu verändern oder zu integrieren. Diese Begeisterung lässt sich nicht herbeirufen. Wenn ich jetzt denke, du solltest mehr Fahrrad fahren, dann wüsste ich nicht, was deine Persönlichkeit dazu bringen könnte, mehr Fahrrad zu fahren – aber die Geister wissen das. Die Geister sagen oder machen dann irgendetwas, wie diese zwölf Vollmond-Zeremonien, nur damit du etwas Bestimmtes erfährst. Sie wissen, wie du das erfahren kannst. Sie wissen, wie sie die Begeisterung in dir wecken können. So kommt es manchmal zu recht komischen oder merkwürdigen Aufgaben durch die Geister und wenn es uns nicht komplett gegen den Strich geht, so sollten wir versuchen, sie zu erfüllen. Es wird einen Grund haben, eine Wirkung in uns erzielen, die wir jetzt noch nicht vorhersehen können.

Eine Übung, die du in deinen Kursen verwendest, ist der Krafttiertanz. Wieso empfindest du diese Technik als so wichtig?

Ich fasse noch einmal kurz zusammen: Unser Spirit, der ja einen Körper bewohnt, kommuniziert mit den körperlosen Spirits. Der Tanz ist das Teilen des Körpers für eine gewisse Zeit. All dies ist ein Geschenk an unseren Helfer und die Kraft, die er/sie/es einem jeden Tag zur Verfügung stellt. Es ist auch ein Vertrauensbeweis dem Spirit gegenüber und ähnlich wie bei der sexuellen Vereinigung mit einem Liebespartner findet eine Verschmelzung statt. Unser Geist und alles, was uns ausmacht, vermischen sich mit dem Geist des Helfers. Ohne eine Verschmelzung wie diese, sind wir nicht annähernd so vertraut miteinander, so nah, so innig verbunden. Aus diesem Tanz resultiert all das, was auch aus einer menschlichen Verschmelzung entstehen würde. Die Verbindung zu den Spirits wird stark intensiviert und das wirkt sich natürlich vorteilhaft auf unsere schamanische Arbeit aus. Mit dem Tanz zeigen wir Interesse an unseren Verbündeten, wir achten sie damit. Wir erfahren die Kräfte, die diese repräsentieren und steigern unsere eigene Kraft – und Kraft ist im schamanischen Kontext viel mehr als nur physische und psychische Kraft. Es ist alles, was dazu beiträgt, dass es die Persönlichkeit stärkt und alles im Leben besser fließen und gedeihen lässt. Es ist auch die Ausdruckskraft als solche und die Glückskraft. Bei den Wikingern zum Beispiel war das Glück eine Wesenheit. Erik der Rote hat eines Tages in der Rückschau feststellen können, wann das Glück von ihm gegangen ist und seine Gefolgsleute waren sich sicher, dass es fortan Leif Erikson, den Glücklichen, seinen Sohn, begleitete, der dann später Amerika entdeckt hat. Die Wikinger behandelten Glück also als ein Wesen, das uns begleitet oder verlässt. Den Krafttierverlust oder eine immer schwächer werdende Verbindung erkennt man daran, dass im Leben nicht mehr alles so flüssig läuft. Bei mir ist es inzwischen sogar so, dass mir Dinge herunterfallen, Missgeschicke passieren und es eben nicht mehr flüssig läuft, wenn ich meine Spirits lange nicht mehr kontaktiert oder mein Krafttier über längere Zeit nicht getanzt habe. Ich erkenne also, dass es wieder einmal höchste Zeit zur Kontaktaufnahme ist und wenn ich dem folge, ist das Leben wieder in Fluss und die Missgeschicke vorbei. Ich fühle mich wieder stark und gut. Von vielen Menschen wird diese Technik sehr stiefmütterlich behandelt, weil es ihnen peinlich oder unangenehm ist, sich tanzend wie ein Tier im Raum zu bewegen und dabei womöglich noch tierische Geräusche zu machen, während andere zuschauen können. Viele genieren sich nicht nur vor den anderen Seminarteilnehmern, sondern tanzen das Krafttier auch zuhause sehr selten oder gar nicht. Dabei ist es eine der hilfreichsten Methoden.





(gekürzte Leseprobe aus Kapitel 3: Kontakt mit den Spirits - ganz konkret)